Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof Spaniens) vom 16. Juli 2024 zur Auslegung des Begriffs „Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft“ (C- 500/24 – „Grupo Massimo Dutti SA“)

10.9.2024

Mit Vorabentscheidungsersuchen vom 16. Juli 2024 hat der Oberste Gerichtshof Spaniens dem EuGH eine interessante Frage zur Auslegung der Begriffe „Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft“ in Art. 29 ZK und Art. 70 Abs. 1 UZK sowie „mit Bestimmung für das genannte Gebiet“ in Art. 147 ZKDVO gestellt. Hierbei geht es um Fälle, in denen die Waren nach der Einfuhr zum Teil zunächst in ein besonderes Zollverfahren übergeführt werden.

Zum Sachverhalt: 

Das Unternehmen Massimo Dutti, Spanien ist eine in die Gruppe Inditex eingegliederte Gesellschaft, deren Haupttätigkeit im Vertrieb von Modeartikeln, und zwar im Wesentlichen Bekleidung, Schuhe, Accessoires und Haushaltstextilerzeugnissen besteht. Diese Waren werden in asiatischen Ländern hergestellt und von den Herstellern an die in der Schweiz ansässige ITX TRADING, S.A. (im Folgenden: ITX) verkauft. ITX verkauft die Waren in der Folge an Massimo Dutti. Es finden folglich zwei Verkäufe statt: Der erste zwischen dem asiatischen Lieferanten und ITX und der zweite zwischen ITX und Massimo Dutti. Die Kleidungsstücke werden jedoch aus dem asiatischen Land direkt nach Spanien geliefert.

Die meisten Waren wurden in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr überführt, ein Teil der Waren jedoch zunächst auf ein Zolllager genommen. Für die Entscheidung, ob eine Ware unmittelbar zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet oder in das Zolllagerverfahren übergeführt wurde, war vor allem die Anwendung von Zollpräferenzen maßgeblich. Waren für die in das Gebiet der Union einzuführende Ware wegen der Präferenzregelung aufgrund des Ursprungs keine Zölle zu entrichten, wurde sie zur Einfuhr angemeldet, andernfalls in ein Zolllager verbracht. Die zum zollrechtlich freien Verkehr überlassenen Waren wurden entweder in der Europäischen Union vermarktet oder in Drittstaaten ausgeführt. Die Etiketten ermöglichen nämlich die Vermarktung der Kleidungsstücke in verschiedenen Ländern.

Als Zollwert meldete Massimo Dutti jenen Preis an, den der asiatische Lieferant ITX in Rechnung gestellt hat (erster Verkauf). Die spanische Zollbehörde ging davon aus, dass der erste Verkauf (vom asiatischen Hersteller an ITX) nicht zur Ausfuhr in das Zollgebiet durchgeführt worden sei. Daher sei als Zollwert der Preis aus dem Verkauf heranzuziehen, mit dem die Waren tatsächlich in die Union eingeführt worden sind. Dies sei der Verkauf von ITX an Massimo Dutti (zweiter Verkauf). Aufgrund dessen erhob die spanische Zollbehörde Zollabgaben nach.

Gegen die Festsetzungsbescheide legte Massimo Dutti zunächst Rechtsbehelfe und nach Ablehnung schließlich Klage ein. Das spanische Gericht wies die Klage ab und entschied, dass der Zollwert der Waren dem Preis aus dem Verkauf von ITX an Massimo Dutti (zweites Kaufgeschäft) entsprechen müsse, da es sich um einen Verkauf „mit Bestimmung“ zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union handele und nicht nachgewiesen worden sei, dass das erste Kaufgeschäft (asiatischer Hersteller an ITX) die Ausfuhr in das Zollgebiet der Europäischen Union bezweckt habe.

Der Umstand, dass die Ware in die Union geliefert werde, reiche nicht aus, da die Waren Gegenstand einer Wiederausfuhr sein könnten. Im Hinblick auf den ersten Verkauf sei nicht nachgewiesen worden, dass die Waren endgültig für Spanien bestimmt gewesen seien, weil sie in ein anderes Land außerhalb der Union, in dem die Klägerin geschäftliche Interessen habe, hätten weitergeleitet werden können; die Waren stünden für einen solchen Verkauf bereit, da sie über die entsprechenden Etiketten verfügten.

Massimo Dutti trägt vor, es bedürfe einer Klärung durch den Gerichtshof, ob ein Verkauf „mit Bestimmung“ zur Ausfuhr „in das Zollgebiet der Union“ nicht nur voraussetze, dass die Waren in das Zollgebiet der Union eingeführt, sondern auch, dass sie dort vermarktet würden. Das Wort „Ausfuhr“ setze lediglich voraus, dass die aus dem Drittland stammenden, von dort ausgeführten Waren für das Zollgebiet der Union bestimmt seien. Der Verbrauch oder die Vermarktung der Waren in diesem Gebiet sei nicht erforderlich. Das Verbringen in das Zollgebiet der Union beziehe sich auf den Akt der Lieferung der Waren in das physische Gebiet. Es reiche daher aus, dass die Waren die Außengrenze überschritten und in das geografische Gebiet gelangt seien, in dem die Zollvorschriften der EU gälten.

Das Erfordernis, dass die Waren mit Bestimmung zur Ausfuhr verkauft werden müssten, könne nicht mit dem Inverkehrbringen auf dem Unionsmarkt durch Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr gleichgesetzt werden. Es handele sich hier um zwei unterschiedliche Begrifflichkeiten.

Die spanische Zollbehörde macht geltend, der Gerichtshof habe bereits im Urteil vom 9.11.2017, LS Customs Services (C-46/16, EU:C:2017:839), Gelegenheit gehabt, über die Auslegung von Art. 29 ZK zu entscheiden. Für die Bestimmung, ob Art. 29 ZK anwendbar sei, müsse demnach zwingend geklärt sein, ob die Waren zur Ausfuhr in die Union verkauft worden seien. In diesem Fall umfasse die Ausfuhr in das Zollgebiet der Union auch die dortige Einfuhr, und zwar nicht nur im bloß physischen, sondern im umfassenden wirtschaftlichen Sinn. Der Zollwert nach Art. 29 ZK setze eine Einfuhr im eigentlichen Sinn voraus, d.h. eine Einfuhr, für die eine Zollschuld entstanden sei.

Im vorliegenden Rechtsstreit bedarf es nach Ansicht des vorlegenden Gerichtes der Klärung, wie das Erfordernis auszulegen ist, dass bei aufeinanderfolgenden Verkäufen der frühere Verkauf „mit Bestimmung“ zur Ausfuhr in „das Zollgebiet der Union“ abgeschlossen wurde. Insbesondere bestehen Zweifel, ob dieses Erfordernis durch das bloße Verbringen der Ware in das Gebiet – verstanden als geografisches Gebiet – auf der Grundlage eines Kaufvertrags erfüllt ist, unabhängig von dem Zollverfahren, in das die Waren später überführt werden, und unabhängig von ihrer endgültigen Bestimmung, so dass eine Vermarktung der Waren in der EU nicht erforderlich ist. Es sei also unklar, ob der Ausdruck „Ausfuhr in das Zollgebiet der Union“ in einem physisch-geografischen Sinn auszulegen ist, d.h. dass die Ausfuhr für das Gebiet bestimmt sein muss, oder ob sie demgegenüber entsprechend dem Zweck der Regelung im wirtschaftlich-kommerziellen Sinn für den Markt der Union bestimmt sein muss. Nach Ansicht des Obersten Spanischen Gerichtshofes ergibt sich dies weder aus Art. 29 ZK, Art. 147 ZKDVO, Art. 70 Abs. 1 UZK und Art. 128 UZK-IA noch aus der bereits ergangenen Rechtsprechung des EuGH. Diese Frage ist im vorliegenden Verfahren deshalb relevant, weil ein Teil der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr überführt und andere in ein Zolllager eingebracht wurde, wovon einige wieder ausgeführt werden sollten.

SV


Verlag C.F. Müller

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