10.9.2024
Mit Beschluss vom 21. Juni 2024 - 4 V 126/22 entschied das FG Hamburg, dass bei der Zollwertermittlung auf ein rein drittländisches Kaufgeschäft nur abgestellt werden kann, wenn der Anmelder im Besitz aller erforderlichen Unterlagen ist, die der Zollbehörde eine zollwertrechtliche Prüfung des Gesamtvorgangs ermöglichen. Hierzu gehören auch die Buchhaltungsunterlagen des drittländlichen Käufers und späteren Marketplace-Verkäufers, den der Anmelder indirekt vertreten hat.
Sofern dies nicht gewährleistet ist, erfolgt die Bewertung auf der Stufe des nächsten Käufers in der Union, also in der Regel unter Heranziehung der eigentlichen grenzüberschreitenden Transaktion. Dabei wird der Zollwert regelmäßig nach einer der nachrangigen Methoden gemäß Art. 74 UZK zu bestimmen sein, wobei wohl in den meisten Fällen - so auch vorliegend - die Schlussmethode nach Art. 74 Abs. 3 UZK Anwendung finden wird. Dabei sind bei der Ermittlung des Zollwertes vom Online-Verkaufspreis die inländische Umsatzsteuer und die enthaltenen Zollabgaben, nicht aber die entstandene EUSt abzuziehen. Weitere Abzugsposten können vom Anmelder nachgewiesen werden.
Im vorliegenden Fall befasste sich die Antragstellerin (nachfolgend: A) mit dem Import und Handel von Waren und war darüber hinaus als indirekter Vertreter für chinesische Handelsfirmen im Rahmen sog. Fulfillmentgeschäfte tätig. Im Rahmen einer Zollprüfung beanstandete das Hauptzollamt die angemeldeten Zollwerte. Denn zu den von der Antragstellerin im Rahmen der Zollprüfung vorgelegten Rechnungen zwischen den chinesischen Herstellern und den chinesischen Internet-Verkäufern habe diese keinerlei Nachweisunterlagen beibringen können. Weder habe sie nach Art. 163 UZK weitere zur Zollwertermittlung notwendige Unterlagen, noch Zahlungsnachweise oder Buchführungsunterlagen der chinesischen Internet-Verkäufer nach Art. 48 UZK vorlegen können. Daher schied nach Ansicht des beklagten Hauptzollamts eine Zollwertermittlung nach der Transaktionswertmethode auf der Grundlage der bei der Verzollung vorgelegten Rechnungen zwischen den chinesischen Herstellern und den chinesischen Internet-Verkäufern aus. Das Hauptzollamt hat daraufhin die Zollwerte auf der Stufe des ersten Käufers in der EU nach der Schlussmethode des Art. 74 Abs. 3 UZK neu ermittelt, in dem es von den (voraussichtlichen) Internet-Verkaufspreisen der chinesischen Internet-Verkäufer ausgegangen und von diesen die Umsatzsteuer und die Zollabgaben abgezogen hat. In Fällen, in denen keine Internet-Verkaufspreise ermittelt werden konnten, hat das Hauptzollamt die Zollwerte auf der Grundlage von durch die Zollverwaltung anhand von ATLAS-Daten ermittelten Richtwerten für Lieferungen aus China oder – falls solche Richtwerte nicht vorlagen – auf der Grundlage von Durchschnittszollwerten für Lieferungen aus allen Drittländern neu festgestellt und schließlich zu wenig erhobene Zollabgaben und EUSt (da der indirekte Vertreter nach Ansicht des Hauptzollamts nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen ist) nacherhoben. Dagegen richtete sich der Antrag des A auf Aussetzung der Vollziehung.
Das FG schließt sich in seinem Beschluss der Auffassung des Hauptzollamts vollumfänglich an und führt aus, dass eine Zollwertermittlung auf der Grundlage der Preise zwischen den chinesischen Herstellern und den chinesischen Internet-Verkäufer (es handelte sich hierbei um das einzige Kaufgeschäft vor dem Verbringen der Waren in die Union, Art. 128 UZK-IA) nur möglich sei, wenn der Anmelder alle Unterlagen vorlegen kann, die zur Ermittlung und Überprüfung der Zollwerte notwendig sind. Dazu gehören insb. Zahlungsnachweise und Buchführungsunterlagen des chinesischen Internet-Verkäufers. Das FG begründet diese Entscheidung mit den Vorlage- und Mitwirkungspflichten, die sich aus Art. 163 UZK, Art. 48 UZK und Art. 15 UZK ergeben. Denn nur anhand solcher Unterlagen kann die Zollbehörde überprüfen, ob der angemeldete Preis dem tatsächlich gezahlten Preis entspricht und/oder weitere beim maßgebenden Käufer der Einfuhrware anfallende Kosten oder Zahlungen dieses Käufers in den Zollwert einzubeziehen sind.
Da A die unter Beachtung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit angeforderten Unterlagen/Nachweise nicht vorlegen konnte, hat das Hauptzollamt zu Recht die angemeldeten Transaktionswerte nicht anerkannt. Des Weiteren war es nach Ansicht des FG auch zutreffend, dass das Hauptzollamt die Bewertung dann nicht auf der Stufe des angemeldeten Käufers unter Heranziehung der nachrangigen Methoden, sondern auf der Stufe des nächsten Käufers in der Union, also unter Heranziehung der eigentlichen grenzüberschreitenden Transaktion, neu ermittelt hat. Dies führte im Ergebnis dazu, dass die Handelsspanne des chinesischen Internet-Verkäufers in den Zollwerten enthalten war.
Auch war es nach Ansicht des FG richtig, die Zollwerte letztlich nach der Schlussmethode des Art. 74 Abs. 3 UZK neu zu ermitteln. Denn die Voraussetzungen zur Anwendung der nachrangigen Methoden des Art. 74 Abs. 2 UZK lagen nicht vor. Insbesondere war das Hauptzollamt zutreffend nicht in der Lage, Zollwerte gleicher oder ähnlicher Waren zu ermitteln, da aggregierte Daten aus Statistik-Datenbanken oder aus dem ATLAS-System nicht geeignet sind, die Gleichheit oder Ähnlichkeit von Waren im Sinne des Zollwertrechts (vgl. Art. 1 Abs. 2 Ziffern 4 und 14 UZK-IA) festzustellen.
Letztlich war auch die Vorgehensweise des Hauptzollamts zutreffend, bei der Zollwertermittlung nach Art. 74 Abs. 3 UZK zunächst von recherchierten Internet-Verkaufspreisen auszugehen (unter Abzug der USt und der Zollabgaben) und – falls solche nicht ermittelt werden konnten – im Anschluss zunächst erst Richtwerte, welche nur auf der Grundlage von Lieferungen aus China ermittelt wurden, und dann erst Durchschnittszollwerte, die auf der Grundlage von Lieferungen aus allen Drittländern ermittelt wurden, zu verwenden. Damit wird die Vorgehensweise der deutschen Zollverwaltung in solchen Fällen bestätigt.
Der Beschluss wird - versehen mit einer ausführlichen Anmerkung - mit der 143. Ergänzungslieferung in Fach 7500 aufgenommen.
SV