Kompromiss im Streit um das Nordirland-Protokoll

9.5.2023

Nach jahrelangem Streit haben die EU und das UK am 27.2.2023 in London einen Kompromiss im Streit um das Nordirland-Protokoll gefunden. Durch die Änderungen dieses Prot. (heißt jetzt Windsor Framework, Windsor Rahmen) wollen die Beteiligten in ihren Beziehungen „ein neues Kapitel“ (so der britische Premier Sunak) aufschlagen, während die Kommissionspräsidentin von der Leyen von einer „historischen Vereinbarung“ sprach. Es wird weiterhin im Sinne des Karfreitagsabkommens von 1998 keine „harte Grenze“ zwischen Nordirland und Irland, also zwischen dem UK und der EU, geben. Die Grenze zwischen Nordirland und Irland bleibt offen. Der Schutz des EU-Binnenmarkts soll dadurch gesichert werden, dass für Irland bestimmte Waren in den nordirischen Häfen vom Zoll kontrolliert und die Daten zum Warenverkehr mit Nordirland vom UK an die EU in Echtzeit übermittelt werden. Im Warenverkehr aus dem UK über die See nach Nordirland soll ein „grüner Korridor“ ohne Zollauflagen für Medikamente und Lebensmittel eingerichtet werden, sodass die bisherige Zollgrenze in der Irischen See erheblich entschärft wird. Sunak spricht von einer „de facto Bannung“. Die nordirische Regionalregierung soll ein Einspruchsrecht und die britische Regierung sogar ein Vetorecht gegen die Anwendung einschlägiger neuer EU-Vorschriften auf Nordirland erhalten (Notfallmechanismus des Art. 13 Abs. 3a mit Verfahren nach Anh. I des Windsor-Rahmens). Das UK darf die Mehrwertsteuer in Nordirland künftig frei festlegen, sodass das UK Unternehmen in Nordirland Steuererleichterungen ohne Bindung an EU-Vorschriften gewähren kann. Der EuGH bleibt bei Zollstreitigkeiten um Nordirland zwar die letzte Instanz, soll jedoch erst dann angerufen werden dürfen, wenn zuvor alle anderen Möglichkeiten einer Einigung ausgeschöpft sind. – In Durchführung der getroffenen Vereinbarungen hat der mit dem Austrittsabkommen eingesetzte Gemeinsame Ausschuss mit Beschl. Nr. 1/2023 v. 24.3.2023 (ABl. L 102/61 v. 17.4.2023) die Modalitäten für den Windsor-Rahmen festgelegt, also das bisherige Nordirland-Protokoll (zur Namensänderung s. die gemeinsame Erklärung des Ausschusses, ABl. L 102/87) geändert. Der Beschl. ist bereits am 25.3.2023 vorbehaltlich der näheren Maßgaben seiner Anwendung gem. Art. 23 des Beschlusses in Kraft getreten. Er wird begleitet von einer ganzen Reihe von Empfehlungen (ABl. L 102/84, 68) und Gemeinsamen Erklärungen des Gemeinsamen Ausschusses (L 102/87, 88, 90, 91, 92) sowie jeweils einseitigen Erklärungen der EU und des UK im Gemeinsamen Ausschuss (L 102/96, 97, 98, 99, 100, 101).

KPME


Verlag C.F. Müller

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