22.12.2022
BGH v. 22.6.2022 – XII ZB 376/21, BtPrax 2022,177
Die Betreuerin hatte die Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung beantragt, dies wurde vom AG abgelehnt. Gegen diese Entscheidung legte sie im Namen des Betroffenen Beschwerde ein. Das LG ging davon aus, dass der Betroffene durch die Entscheidung des AG gerade nicht beschwert war – er wollte ja offensichtlich nicht untergebracht werden, die erstinstanzliche Entscheidung entsprach also genau seinen Wünschen und könne deshalb auch nicht von ihm bzw. in seinem Namen mit Rechtsmitteln angegriffen werden.
Das hört sich zunächst logisch an. Trotzdem hat der BGH die Entscheidung des LG aufgehoben. Zur Begründung verweist er auf seine frühere Entscheidung (BGH v. 2.2.2022 – XII ZB 530/21, FamRZ 2022,726), nach der eine geschlossene Unterbringung nicht nur einen Eingriff in die Grundrechte begründet, sondern auch der Menschenwürde und dem Schutz des Lebens und der Gesundheit dient. Der Betroffene habe einen Anspruch auf staatlichen Schutz dieser Rechtsgüter, wenn er aufgrund einer Erkrankung die Erforderlichkeit einer Unterbringung und ggf. auch einer medizinischen Zwangsmaßnahme nicht einsehen kann.
Diese Begründung ist u.E. überzeugend. Es ist anerkannt, dass ein Anspruch auf Schutz vor krankheitsbedingten Fehlhandlungen besteht. Notfalls müssen zur Vermeidung einer krankheitsbedingten Selbstschädigung unter Abwägung gegenüber Aspekten des Selbstbestimmungsrechts z.B. freiheitsentziehende Maßnahmen getroffen werden, um Gesundheit und Leben eines Menschen auch gegen seinen natürlichen Willen zu schützen. Es können sogar Schadensersatzansprüche bestehen, wenn ein solcher Schutz versagt wird (so z.B. BGH III ZR 168/19, BtPrax 2001,67). Dann ist es aber auch folgerichtig, wenn der Betroffene den ihm zustehenden Schutz – wenn auch krankheitsbedingt lediglich durch eine stellvertretende Handlung seines Betreuers – im Rechtsmittelverfahren einfordern kann.
Eine Parallele besteht insoweit zu der vom BGH (FamRZ 2014, 470) ebenfalls anerkannten Beschwerdebefugnis des Betreuten gegen eine Aufhebung oder Einschränkung der Betreuerbestellung (vgl. zu Einzelheiten HK-BUR/Bauer § 303 FamFG Rn 95).