8.11.2022
Mit Urteil vom 17. Mai 2022 (ECLI:DE:BFH:2022:U.170522.VIIR2.19.0; veröffentlicht Ende September 2022) entschied der BFH abschließend in der viel diskutierten Rechtssache „Hamamatsu“. Er kommt dabei zu dem Schluss, dass es auch im Rahmen der Schlussmethode des Art. 31 ZK (heute: Art. 74 Abs. 3 UZK) nicht möglich ist, als Zollwert einen vereinbarten Transaktionswert zugrunde zu legen, der sich teilweise aus einem zunächst in Rechnung gestellten und angemeldeten Betrag und teilweise aus einer pauschalen Berichtigung nach Ablauf des Abrechnungszeitraums zusammensetzt, ohne dass sich sagen lässt, ob am Ende des Abrechnungszeitraums diese Berichtigung nach oben oder nach unten erfolgen wird. Denn steht im Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung nicht fest, ob am Ende des Abrechnungszeitraums überhaupt eine Berichtigung vorzunehmen sein wird und ob, falls dies der Fall ist, die Berichtigung nach oben oder nach unten zu erfolgen hat, dann ist ein demzufolge erst noch zu ermittelnder Warenwert im Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung nicht i.S. von Art. 8 Abs. 3 des Übereinkommens zur Durchführung des Art. VII des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens von 1994 quantifizierbar.
Der BFH begründet seine Entscheidung in erster Linie damit, dass die Zollwertermittlung eine waren- und stichtagsbezogene Wertermittlung sei (Rz. 40 und 59 des Urteils). Dies gelte auch für eine Zollwertermittlung nach der Schlussmethode des Art. 31 ZK (Rz. 46 und 59). Hierbei sei auf den Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung abzustellen (Rz. 41). Änderungen der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die erst nach Zahlung des Abgabenbetrages eintreten, würden keine Erstattung nach Art. 236 Abs. 1 UAbs. 1 ZK (heute: Art. 117 UZK) rechtfertigen. Dies gelte nach der Entscheidung des EuGH auch für nachträgliche Verrechnungspreisanpassungen, die als ertragsteuerliches Instrument der Streitvermeidung und der Verminderung von Verrechnungspreisrisiken diene (Rz. 42 und 59).
Darüber hinaus dürften Zuschläge oder Abschläge nach Art. 8 Abs. 3 GATT-Zollwert-Kodex (völkerrechtliche Grundlage von Art. 32 Abs. 2 ZK bzw. heute Art. 71 Abs. 3 UZK) nur auf der Grundlage von Angaben vorgenommen werden, die bereits im Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung objektivierbar und quantifizierbar sind [Anm.: der Verweis auf Art. 8 Abs. 3 GATT-Zollwert-Kodex ist erstaunlich, da sich diese Vorschrift ausschließlich auf die Hinzurechnungsfaktoren des Art. 8 GATT-Zollwert-Kodex (im EU-Recht: Art. 32 ZK bzw. heute Art. 71 UZK) bezieht und nichts mit dem tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis, auf den Verrechnungspreisanpassungen eine Auswirkung haben können, zu tun hat]. Dies gelte auch für eine Zollwertermittlung nach der Schlussmethode (Rz. 47 bis 49). Im vorliegenden Fall habe im Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung aber nicht festgestanden, ob die angemeldeten Warenwerte auf der Grundlage der nach Ablauf des Abrechnungszeitraums erst noch zu ermittelnden Verrechnungspreise überhaupt korrigiert werden würden und wenn ja, ob eine Korrektur durch Zuschläge oder durch Abschläge erfolgen würde. Ebenfalls offen sei gewesen, in welcher Höhe die Korrekturen ggf. zu erfolgen hätten. Somit seien die Zuschläge oder Abschläge im Zeitpunkt der Zollanmeldung nicht quantifizierbar gewesen (Rz. 58).
Des Weiteren läge die Nachweispflicht im Falle eines Erstattungsantrages beim Antragsteller (Art. 878 ZK-DVO). Dieser müsse darlegen und ggf. belegen, dass bzw. inwieweit Abgaben unzutreffend gezahlt worden sind und dazu alle benötigten Unterlagen der Zollbehörde zur Verfügung stellen (Rz. 50). Im vorliegenden Fall habe die Klägerin aber nicht nachweisen können, dass die von ihr entrichtete Zollschuld im Zeitpunkt der Annahme der jeweiligen Zollanmeldung nicht gesetzlich geschuldet gewesen ist (Rz. 52). Außerdem konnte die Klägerin den von Hamamatsu Japan vorgegebenen Umlageschlüssel, mittels dem die Gutschrift auf einzelne Produktgruppen aufgeteilt wurde, nicht erläutern. Daher sei bereits fraglich, ob die im Streitfall vorgenommenen Abschläge überhaupt auf Daten beruhen, die i.S. von Art. 31 ZK in der Union verfügbar sind. Darauf komme es aber im vorliegenden Fall nicht an, da eine Korrektur der Zollwerte aus den zuvor geschilderten Gründen ohnehin ausscheidet (Rz. 60).
Schließlich bestanden nach Ansicht des BFH zum Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung - die nicht unvollständig abgegeben wurde - auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Preise nicht den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert wiedergespiegelt hätten und nicht alle Elemente dieser Waren, die einen wirtschaftlichen Wert gehabt haben, berücksichtigt hätten. Insbesondere seien die Zollbehörden an der im Rahmen des Verständigungsverfahrens getroffenen Vereinbarung nicht beteiligt gewesen (Rz. 53). Somit wären nach Auffassung des BFH bei Annahme der Zollanmeldung weder Bedingungen i.S.d. Art. 29 Abs. 1 Buchst. b ZK (heute: Art. 70 Abs. 3 Buchst. b UZK) erkennbar gewesen, die eine Ermittlung des Zollwerts nach der Transaktionswertmethode ausgeschlossen hätten, noch war die Verbundenheit zwischen der Klägerin und Hamamatsu Japan ein Grund, den Transaktionswert für als unannehmbar anzusehen (Rz. 54).
Damit bestätigt der BFH die Auffassung der deutschen Zollverwaltung bezüglich der zollwertrechtlichen Behandlung von nachträglichen Verrechnungspreisanpassungen in Form von pauschalen, also nicht produktbezogenen, Gutschriften. Fraglich ist nun allerdings, ob die Zollverwaltung bei ihrer bisherigen Auffassung zur Behandlung von vertraglich vereinbarten nachträglichen produktbezogenen Verrechnungspreisanpassungen und insbesondere von Anpassungen in Form von pauschalen Nachbelastungen bleiben kann. Denn im letzten Fall geht die Zollverwaltung derzeit von einer Preisbeeinflussung aufgrund von Verbundenheit aus, da die unterjährig in Rechnung gestellten Preise offensichtlich zu niedrig waren und zu wenig Einfuhrabgaben erhoben wurden (E-VSF Z 5101 Abs. 30 und 31). Die Zollverwaltung korrigiert derzeit daher die unterjährig angemeldeten Zollwerte um die Höhe der Nachbelastung und erhebt Einfuhrabgaben nach. Die zollwertrechtliche Behandlung von nachträglichen Verrechnungspreisanpassungen bleibt also auch nach diesem Urteil zum Teil ungeklärt.
SV