Wen betrifft es? Übergreifendes Thema (13.4.2022)
Der Ukraine-Krieg hat die Umgestaltung des deutschen Energiesystems, insbesondere die Energiewende (Praxishandbuch Teil 2.1, Rn. 1 ff.), noch einmal beschleunigt. Dabei galt fossiles Erdgas immer als eine Brückentechnologie, die man noch einige Jahre bis zur kompletten Versorgung aus erneuerbaren Quellen Nutzen wollte. Die russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine zwingen jetzt aber zu einem deutlich verschärften Ausstieg aus dem Erdgas. Dieser könnte einerseits dadurch eintreten, dass Europa doch noch ein komplettes Embargo gegen russisches Erdgas verhängt. Viele Experten halten es aber auch für möglich, insbesondere wenn Europa mehr und mehr schwere Waffen in die Ukraine liefert, dass das Putin-Regime gezielt über Herbst und Winter selbst ein Embargo anzettelt, um Europa unter Druck zu setzen. Egal von welcher Seite: Es könnte also zu massiven Versorgungsengpässen kommen.
Die Unternehmen sollten sich frühzeitig mit einem solchen Szenario vertraut machen. Wie mit solchen Erdgas-Versorgungsengpässen umgegangen werden soll, ist detailliert in Regelwerken der Europäischen Union (Security of Supply Verordnung 2017/1938/EU) und Deutschlands Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), Energiesicherheitsgesetz (EnSiG) und Gassicherungsverordnung (GasSV) niedergeschrieben. Außerdem gibt es den Notfallplan Gas der Bundesregierung, in dem genau beschrieben ist, wie man in solchen Notfallphasen vorgehen will.
Der Notfallplan Gas besteht aus drei Krisenstufen:
- Frühwarnstufe
- Alarmstufe
- Notfallstufe
Die Frühwarnstufe hat Minister Habeck bereits ausgerufen. In der Frühwarn- und Alarmstufe gibt es noch keine hoheitlichen Eingriffe wie Rationierung von Erdgas oder die Sperrung der Versorgung für bestimmte als nachrangig eingestufte Verbraucher. Vielmehr soll in dieser Phase die Erdgaswirtschaft die Versorgung noch mit marktbasierten Maßnahmen wie zum Beispiel verstärkte Nutzung von Regelenergie oder Optimierung von Lastflüssen sichern.
Anders in der Notfallstufe: Hier kann die Bundesnetzagentur als sogenannter Bundeslastverteiler Erdgas rationieren und insbesondere nicht systemrelevanten Unternehmen den Erdgashahn abdrehen. All dies soll geschehen, um die nach § 53a EnWG vorrangig zu beliefernden Verbraucher Privatkunden, soziale Einrichtungen und Fernwärmelieferanten zu schützen. Es könnte also zu einem Hauen und Stechen zwischen den nicht zu diesem Kreis gehörenden Unternehmen kommen. Den Unternehmen ist daher dringend anzuraten, frühzeitig die rechtlichen Möglichkeiten zur Sicherung einer vorrangigen Versorgung zu prüfen.