Wen betrifft es? Energieintensive Unternehmen
Energieintensive Unternehmen unterliegen bereits seit dem Jahr 2003 dem EU-Emissionshandel ETS, müssen also einen Preis für die Emission von CO2 bezahlen (Praxishandbuch Teil 1.2, Rn. 89 ff.). Da es in vielen anderen Weltregionen jedoch noch keinen Emissionshandel gibt, schützt das EU Recht die Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Unternehmen in der Weise, dass diese einen – wenn auch stetig abnehmenden – Anteil an CO2-Zertifikaten nicht kostenpflichtig erwerben müssen, sondern Zertifikate kostenlos zugeteilt bekommen (Praxishandbuch Teil 2.3, Rn. 9 ff.).
Dabei werden jedoch nicht die tatsächlichen CO2-Emisssionen des Unternehmens angesetzt, sondern nur die 10 % klimafreundlichsten Verfahren. So soll ein Anreiz in Investitionen zum Klimaschutz gesetzt werden: Wer mehr CO2 in die Luft bläst, muss hierfür kostenpflichtig weitere Zertifikate zukaufen und wird so angereizt, den Zukauf dieser immer teurer werdenden Zertifikate durch Investitionen in CO2-Senkung zu vermeiden.
Im Rahmen der kostenlosen Zuteilung gibt es bestimmte Benchmarks zur Feststellung dieser 10 % klimafreundlichsten Verfahren: den Produkt-Benchmark, den Wärme-Benchmark, den Brennstoff-Benchmark und schließlich den Prozessemissions-Benchmark. Diese Benchmarks stehen in einem hierarchischen Fall-back Verhältnis. So darf etwa die Prozessemissions-Benchmark erst angewendet werden, wenn alle anderen Benchmarks nicht in Frage kommen.
Und genau hier kommt die EuGH-Entscheidung ins Spiel. Im Ausgangsrechtsstreit waren die Kupferherstellerin Aurubis und die Deutsche Emissionshandelsstelle DEHSt verschiedener Auffassung darüber, welche Benchmark für die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten zugrunde zu legen sei. Während Aurubis die Brennstoff-Benchmark begehrte, die deutlich mehr Zertifikate brachte, wollte die DEHSt nur die in weniger Zertifikate resultierende Prozessemissions-Benchmark anwenden. Es ging dabei um CO2-Emisssionen, bei der im sogenannten Outokumpu-Verfahren Primärkupfer durch Erschmelzen von Kupferkonzentrat im Schwebeschmelzverfahren gewonnen wird. Die CO2-Emissionen entstehen hier deshalb, weil Kupferkonzentrat einen Kohlenstoffanteil von ca. 0,7 % aufweist.
Aurubis hatte aber durch aufwändige Investitionen die CO2-Emissionen deutlich gesenkt, so dass die Firma einen Großteil der Zertifikate, welche sie über den Brennstoff-Benchmark bekommen würde, gar nicht brauchte und so gewinnbringend verkaufen konnte. Daran störte sich die DEHSt und versuchte Aurubis durch Einstufung in den schlechteren Prozessemissions-Benchmark die aus ihrer Sicht überflüssigen Zertifikate vorzuenthalten. Der Streit ging dann vor das VG Berlin, welches ihrerseits die Sache dem EuGH vorlegte.
Der EuGH fällte daraufhin mit seinem Urteil vom 25.11.2021 (C-271/20) eine Grundsatzentscheidung, die für Unternehmen, die am EU-ETS teilnehmen und Klimaschutz betreiben wollen, wegweisend ist. Große Teile seiner Ausführungen befassen sich zwar „nur“ mit technischen Einzelheiten der Eingruppierung in die verschiedenen Benchmarks. Quasi in einem Nebensatz stellte der EuGH aber klar, dass ein Unternehmen nicht durch Zuteilung von weniger Zertifikaten bestraft werden darf, wenn es durch Investitionen in Klimaschutz die CO2-Emissionen senkt und so die kostenlos zugeteilten Zertifikate gar nicht braucht, sondern gewinnbringend verkaufen kann. Genau das ist nämlich der Sinn des ETS: Finanzielle Anreize zu schaffen für Investitionen in Klimaschutz. Die Entscheidung eröffnet somit Unternehmen, die am EU-ETS teilnehmen, eine interessante neue Refinanzierungsmöglichkeit für ihre Investitionen in Klimaschutz.