Update #13: Anpassung der Energiesteuerrichtlinie an den Green Deal

Wen betrifft es? Übergreifendes Thema

Die Energiesteuerrichtlinie 2003/96/EG (Praxishandbuch Teil 1.2, Rn. 182. ff) trägt derzeit noch zu wenig zum Green Deal bei. Deshalb hat die EU-Kommission einen umfassenden Vorschlag zur Überarbeitung dieser Richtlinie vorgelegt. Zentrales Anliegen ist es, stärkere steuerliche Preissignale Richtung mehr Klimaschutz zu senden. Dies soll sich zum einen in den einzelnen Steuersätzen ausdrücken und zum andern in einer Reduktion von Steuerbefreiungen. Das Papier der Kommission ist leider wieder einmal sehr schlecht gemacht und schlecht lesbar. Hinzukommt, dass dort Punkte wie zum Beispiel die Input-Besteuerung Strom, als neu dargestellt werden, obwohl sie gar nicht neu sind. Ärgerlich ist auch, dass Probleme angesprochen, aber nicht oder nur sibyllinisch über die Lösungen fabuliert wird.

Im Folgenden werden daher nur die Punkte vorgestellt, die wirklich neu und auch verständlich sind:

1. Besteuerung aufgrund des Energiegehalts und der Umweltleistung
Konkret soll die Energiebesteuerung weg von der volumenabhängigen Besteuerung (Praxishandbuch Teil 1.2, Rn. 185) hin zu einer Besteuerung, die auf dem Nettowärmeinhalt der Energieerzeugnisse und des elektrischen Stroms basiert. Diese Besteuerungsart soll zunächst Nachteile von Biokraftstoffen im Verhältnis zu fossilen Brennstoffen beseitigen. Mit der Berücksichtigung von Umweltleistungen sollen außerdem schadstofffreie Energieträger mehr gefördert werden. Entsprechend würden dann die Mindeststeuersätze festgelegt.

2. Abschmelzung des verminderten Heizstofftarifs
Mit einer Übergangsfrist von 10 Jahren soll der reduzierte Heizstofftarif (Praxishandbuch Teil 2.1, Rn. 313 ff.) auslaufen. Die Mitgliedstaaten sollen aber sozial schwache Haushalte davon ausnehmen können und haben auch generell die Möglichkeit, die Heizsteuersätze reduziert zu belassen, allerdings nicht unter den Mindeststeuersätzen.

3. Anpassung der Liste der Energieerzeugnisse
Konkurrierende Energiequellen sollen einheitlich behandelt werden, um deren einheitliche und standardisierte steuerliche Behandlung zu gewährleisten. Entsprechend soll die Liste der Energieerzeugnisse (Praxishandbuch Teil 1.2, Rn. 182) angepasst werden.

4. Rolle der KN Nummern
Wenn Produkte aus einer Mischung von verschiedenen Energieerzeugnissen bestehen, soll jede Komponente mit dem für sie geltenden Steuersatz besteuert werden und nicht auf die KN Nummer für das Produkt insgesamt abgestellt werden.
Generell soll der Kommission die Befugnis zu einer Aktualisierung der KN Nummern gegeben werden.

5. Geltungsbereich der Richtlinie
Die Endenergiebesteuerung von Wärme soll generell nicht unter die Richtlinie fallen.

6. Rangfolge der Besteuerung
Es soll folgende neuen Abstufungen vom höchsten zum niedrigsten Satz geben:

  1. Konventionelle fossile Brennstoffe
  2. Erdgas, Flüssiggas und Wasserstoff fossilen Ursprungs
  3. Nachhaltige, aber nicht fortschrittliche Biokraftstoffe
  4. Elektrischer Strom, ungeachtet seiner Verwendung, fortschrittliche Biokraftstoffe, flüssige Biobrennstoffe, Biogase und Wasserstoff.

Elektrischer Strom soll deshalb generell am niedrigsten besteuert werden, weil er für die Sektorkopplung insbesondere im Verkehrssektor am meisten beisteuern kann.
Um der Entwicklung des Realwertes der besteuerten Produkte Rechnung zu tragen, sollen die Steuersätze entsprechend der einschlägigen Indices jährlich angepasst werden.

7. Ausgestaltung der Mindeststeuerbeträge im Einzelnen
Es sollen unterschiedliche Mindeststeuersätze für den Einsatz von Kraftstoff im Verkehrsbereich und in anderen Bereichen wie zum Beispiel im Primärbereich, für Heizstoff und für elektrischen Strom gelten. Dabei sollte nicht mehr wie bisher (Praxishandbuch Teil 1.2, Rn. 186) unterschieden werden zwischen gewerblicher und nichtgewerblicher Nutzung von Gasöl als Kraftstoff sowie betrieblicher und nichtbetrieblicher Nutzung von Heizstoffen und elektrischem Strom.

8. Input-Besteuerung Strom
Bei der Input-Besteuerung Strom bleibt im Grundsatz alles wie es ist (vgl. Praxishandbuch Teil 1.2, Rn. 187). Neu ist aber, dass wenn sich die Mitgliedstaaten zur Besteuerung auch des Inputs aus umweltpolitischen Gründen entscheiden, die Rangfolge der im Anhang festgelegten Mindestbeträge beibehalten werden müssen, um die richtigen umweltpolitischen Signale zu senden.

9. Besteuerung der Luftfahrt
Eine der politisch umstrittensten Neuerungen ist die Aufhebung der Steuerbefreiungen für die Luftfahrt (Praxishandbuch Teil 2.5, 385 ff.) Geplant ist diese Abschaffung für alle Flüge in der EU und stattdessen die Besteuerung mit den in den Mitgliedstaaten geltenden Standardsteuersätzen.
Hierfür soll es aber eine Anpassungsphase von zehn Jahren geben, in denen dann sukzessive die Kraftstoffe auf die Mindeststeuerbeträge angehoben werden.
Nachhaltige Biokraftstoffe und nachhaltiges Biogas, CO2-arme Kraftstoffe, fortschrittliche nachhaltige Biokraftstoffe und fortschrittliches nachhaltiges Biogas sowie erneuerbare Kraftstoffe nicht biogenen Ursprungs sollen aber auch während dieses Übergangszeitraum nicht besteuert werden.
Für Frachtflüge soll es ebenfalls bei der Steuerfreiheit bleiben. Allerdings haben die Mitgliedstaaten optional die Möglichkeit, diese Flüge bei reinen Inlandsfrachtflügen oder aufgrund bilateraler oder multilateraler Abkommen mit anderen Mitgliedstaaten zu besteuern.
In Bezug auf die extra-EU-Luftfahrt haben die Mitgliedstaaten die Wahl, die Steuerbefreiung weiter zu gewähren oder sie genauso schrittweise aufzuheben wie in der EU. Allerdings müssen sie sich dabei an die internationalen Abkommen halten (Praxishandbuch Teil 2.5, Rn. 416 ff.).
Da es allerdings äußerst fraglich ist, ob diese Reform angesichts des Einstimmigkeitserfordernisses durchsetzbar ist, könnte es durchaus sein, dass einzelne Mitgliedstaaten versuchen, zumindest auf nationaler Ebene die Steuerbefreiung aufzuheben (Zur rechtlichen Zulässigkeit Praxishandbuch Teil 2.5, Rn. 411 ff.)

10. Besteuerung der Schifffahrt
Auch die Steuerbefreiung für die gewerbliche Schifffahrt (Praxishandbuch Teil 2.5, 289 ff.) soll aufgehoben werden. Allerdings sieht der Entwurf die Gefahr, dass die Steuer durch Betankung außerhalb der EU umgangen wird. Wie dieses Problem gelöst werden soll, sagt der Entwurf nicht sondern verweist darauf, dass man hierfür verschiedene Steuersätze anwenden solle, ohne aber genauer auszuführen, wie das funktionieren soll.
Auch in der Schifffahrt sollen nachhaltige Biokraftstoffe und nachhaltiges Biogas, CO2-arme Kraftstoffe, fortschrittliche nachhaltige Biokraftstoffe und fortschrittliches nachhaltiges Biogas sowie erneuerbare Kraftstoffe nicht biogenen Ursprungs während eines Übergangszeitraums von 10 Jahren nicht besteuert werden.
In Bezug auf die Besteuerung der extra EU Schifffahrt lässt man den Mitgliedstaaten ebenso wie bei der Luftfahrt freien Raum.

11. Umweltpolitisch motivierte Steuerbefreiungen
Sofern aus Gründen des Klima- und Umweltschutzes gerechtfertigt, können die Mitgliedstaaten auf Energieerzeugnisse und Strom auch ermäßigte Steuersätze anwenden oder diese komplett von der Steuer befreien. Dies soll für Strom aus erneuerbaren Energien oder aus KWK gelten, kann aber auch auf erneuerbare Kraft- und Brennstoffe nicht biogenen Ursprungs, fortschrittliche nachhaltige Biokraftstoffe, fortschrittliche nachhaltige flüssige Biobrennstoffe, fortschrittliches nachhaltiges Biogas und fortschrittliche nachhaltige Holzerzeugnisse angewendet werden.

12. Steuerermäßigungen für bestimmte Verwendungszwecke
Steuerermäßigungen aus bestimmten legitimen Gründen bleiben zulässig, etwa für besondere Energieeffizienz oder auch aus sozialen Gründen. Dabei müssen aber auch hier immer die Mindeststeuersätze eingehalten werden. Bei sozial besonders schwach gestellten Haushalten, kann für die nächsten zehn Jahre auch eine komplette Steuerbefreiung erfolgen. Auch für Landwirtschaft, Gartenbau, Aquakultur und Forstwirtschaft können Steuerermäßigungen bis auf die Mindeststeuersätze eingeführt werden.

13. Schutz der energieintensiven Industrie
Zwar soll es noch möglich sein, die energieintensive Industrie in ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu schützen. Allerdings wurden die Voraussetzungen hierfür erheblich verschärft, so dass zum Beispiel Steuervergünstigungen wie der Spitzenausgleich (Praxishandbuch Teil 2.2, Rn. 87) nicht mehr in der Form wie bisher zulässig wären. So sollen solche Steuerermäßigungen nur noch für Betriebe gelten, bei denen sich die Energie- und Strombeschaffungskosten auf mindestens 3,0 % des Produktionswertes belaufen oder die zu entrichtende nationale Energiesteuer mindestens 0,5 % des Mehrwertes betragen. Daneben sind Vergünstigungen nur noch möglich, wenn dafür bestimmte umweltpolitische Gegenleistungen erbracht werden.

14. Erweiterung des EMCS-Verfahrens
Um die Rechtssicherheit zu verbessern und das Betrugsrisiko zu mindern, sollen bestimmte Energieerzeugnisse wie z. B. Schmieröle jetzt auch den Kontroll- und Beförderungsbestimmungen des EMC (Praxishandbuch Teil 2.2, Rn. 15) unterliegen.

15. Besteuerung von Wasserstoff
Der Entwurf soll außerdem auch den Status von Wasserstoff unter der Energiesteuerrichtlinie klären. Angesichts der Analogien der physikalischen Eigenschaften soll er wie Erdgas behandelt werden (Zum derzeitigen energiesteuerrechtlichen Status von Wasserstoff, Praxishandbuch Teil 2.2, Rn. 610 f.)

16. Doppelbesteuerung bei Stromspeicheranlagen
Adressiert werden soll auch das Problem der Doppelbesteuerung von Stromspeicheranlagen, denn nach der Logik der Stromsteuer als Verbrauchsteuer würde hier an sich die Steuer zweimal anfallen, da zweimal ein Letztverbrauch stattfindet: Einmal beim Verbrauch im Stromspeicher und dann noch einmal beim Verbrauch des wieder ausgespeisten Stroms. Dies soll dadurch verhindert werden, dass Stromspeicher als Weiterverteiler und nicht als Letztverbraucher eingestuft werden. Gleiches soll auch für Transformatoren gelten.

17. Besteuerung von Torf und Brennholz
Torf, Brennholz, also Holz in Form von Plättchen oder Schnitzeln; Sägespäne, Holzabfälle und Holzausschuss sowie Holzkohle sollen aufgrund der ähnlichen physikalischen Eigenschaften wie Kohle besteuert werden (zum derzeitigen energiesteuerrechtlichen Status von Holz Praxishandbuch Teil 1.2, Rn. 72)

 

 


Verlag C.F. Müller

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