Wen betrifft es? Stromerzeuger und Immobilienwirtschaft
Freiflächen-PV-Anlagen werden insbesondere nach Auslaufen der EEG-Förderung (vgl. hierzu Praxishandbuch Teil 2.1, Rn. 1 ff.) immer mehr zu Investitionsobjekten von Kapitalanlegern. Zu diesem Zweck werden dann die riesigen Anlagen aufgestückelt und modulweise an die Kapitalanleger verkauft. Auch in der Immobilienwirtschaft kommt es vor, dass an Gebäuden angebrachte PV-Module separat veräußert werden.
Bei diesen Transaktionen besteht immer wieder das Risiko der unklaren sachenrechtlichen Zuordnung. Denn es ist tragender Grundsatz des deutschen Sachenrechts, dass wesentliche Bestandteile von Sachen (seien es Grundstücke, seien es bewegliche Sachen) nicht Gegenstand eigener Rechte sein können. Konkret kann es also vorkommen, dass die Transaktion mangels Sonderrechtsfähigkeit der Module unwirksam war, was für den Käufer natürlich sehr ärgerlich ist und im Fall der Insolvenz des verkaufenden Unternehmens dazu führen kann, dass er die Module wieder in die Insolvenzmasse ziehen kann.
Zu all diesen Fragen hat nun der BGH in gleich vier Verfahren Stellung genommen (Urteile vom 22. Oktober 2021 – V ZR 225/19, V ZR 8/20, V ZR 44/20 und V ZR 69/20). Der Eigentumserwerb bei solchen Transaktionen setzt danach voraus, dass die Module zum Zeitpunkt der Übereignung sonderrechtsfähig sind, d.h. weder wesentliche Bestandteile des Grundstücks (§ 94 Abs. 1 BGB) noch der Photovoltaikanlage (§ 93 BGB oder § 94 Abs. 2 BGB) waren. Um dies zu beurteilen, sind zwei Ebenen zu unterscheiden. Zunächst muss gefragt werden, ob die PV-Anlage als Ganzes (also Unterkonstruktion und Module) wesentlicher Bestandteil des Grundstücks ist. In einem zweiten Schritt ist dann noch zu klären, ob die Module wesentliche Bestandteile der Unterkonstruktion sind.
Zur ersten Frage stellte das Gericht fest, dass die PV-Anlage nicht nach § 94 Abs. 1 BGB wesentlicher Bestandteile des Grundstücks ist, weil die Anlage mit diesem nicht fest verbunden oder nur als Scheinbestandteil i.S.v. § 95 BGB anzusehen ist, da sie aufgrund eines Nutzungsvertrages errichtet wurde, der ihren Abbau zum Ende der Vertragslaufzeit vorsieht.
Zur zweiten Frage stellte das Gericht zunächst fest, dass die einzelnen Module nicht nach § 94 Abs. 2 BGB ihre Sonderrechtsfähigkeit verlieren, weil sie Bestandteil eines Gebäudes sind, denn solche PV-Anlagen sind nicht komplex genug, um als Gebäude in diesem Sinne zu gelten.
Die Module könnten aber nach § 93 BGB als wesentliche Bestandteile der PV-Anlage ihre Sonderrechtsfähigkeit verlieren. Maßgeblich hierfür ist, ob im Moment der Transaktion der Module diese noch durch zumindest vergleichbare, auf dem Markt verfügbare Modelle ersetzt und ihrerseits in anderen Anlagen verwendet werden können. Kann dies bejaht werden, liegt Sonderrechtsfähigkeit vor. Da die PV-Anlage im konkreten Fall noch sehr neu war, als die Module verkauft wurden, bejahte dies der BGH.
Selbst für den Fall, dass prinzipiell eine Sonderrechtsfähigkeit der Module möglich ist, weist der BGH noch auf den sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz hin: Wenn zahlreiche einzelne Module aus einer großen Freiflächenanlage verkauft werden, muss in den zu Grunde liegenden Lageplänen hinreichend deutlich gekennzeichnet sein, wer genau welches Modul erwirbt. Ansonsten ist die Transaktion ebenfalls unwirksam.
In seinen Entscheidungen hat sich der BGH ausführlich dazu geäußert, ob und inwieweit an PV-Modulen Eigentum sowie ein Miteigentumsanteil an der Unterkonstruktion erworben werden kann. Im zugrundeliegenden Fall wurden bereits verbaute PV-Anlagen an Kapitalanleger verkauft, zugleich vermieteten die Kapitalanleger die erworbenen Module an ein Tochterunternehmen des Verkäufers zurück.
Relevanz: Das Urteil ist für all jene Unternehmen von Relevanz, in deren Eigentum PV-Anlagen stehen, die separat und ggf. modulweise sowie unabhängig von der Eigentumssituation des Grundstücks bzw. der Immobilie verkauft werden sollen. Von Interesse ist das Urteil auch für Kapitalanleger und andere Unternehmen, die PV-Module von Dritten kaufen möchten.
Hintergrund: Es handelt sich hier nicht nur um ein einzelnes Urteil, sondern um gleich vier Entscheidungen, die im Kern die gleiche Rechtsfrage zum Gegenstand haben. In allen vier Verfahren war der Kläger der Insolvenzverwalter eines Unternehmens, welches im Jahr 2010 eine Freiflächen-PV-Anlage mit einer Gesamtleistung von 1.050 kWp kaufte, die bereits auf Grundstücken errichtet worden war, an der dem Käufer ein Nutzungsrecht eingeräumt wurde. Ende des Jahres 2010 verkaufte das Unternehmen die PV-Module weiter an insgesamt 65 verschiedene Kapitalanleger, die jeweils eine bestimmte Anzahl an Modulen erhalten sollten sowie einen Miteigentumsanteil an der Unterkonstruktion der PV-Anlage. Dies war damit verbunden, dass die Kapitalanleger die Module der veräußernden Gesellschaft zurückvermieteten. Im März 2016 wurde das Insolvenzverfahren über deren Vermögen eröffnet.
Gegenstand der Klage war, dass der Kläger – also der Insolvenzverwalter des Unternehmens, welches die PV-Module separat veräußert hatte – in einer Reihe von Verfahren die Feststellung begehrt hatte, dass die verschiedenen Kapitalanleger jeweils kein Eigentum an den Modulen und der Unterkonstruktion erworben hatten. Dabei hatte sich in den Vorinstanzen jeweils ein diverses Meinungsbild ergeben: In einem Verfahren vor dem OLG Bamberg war die Klage abgewiesen worden, das OLG Karlsruhe hatte einer Klage stattgegeben, in zwei weiteren Verfahren hatten die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, aber die jeweiligen Beklagten Widerklage u.a. auf Herausgabe der Module erhoben, womit sie jeweils in der zweiten Instanz erfolgreich waren. Der BGH hob die vier Berufungsurteile auf und verwies die Sachen zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die OLGs zurück.
In der Sache äußerte sich der BGH wie folgt: Einzelne PV-Module können nur dann separat veräußert werden, wenn sie nicht wesentliche Bestandteile einer Gesamtsache geworden sind.
Hier sind die Module weder wesentliche Bestandteile des Grundstücks (§ 94 Abs. 1 BGB) noch der Photovoltaikanlage (§ 93 BGB oder § 94 Abs. 2 BGB) geworden. Wesentliche Bestandteile des Grundstücks im Sinne des § 94 Abs. 1 BGB sind die PV-Module nicht geworden, weil sie nicht fest mit dem Grundstück verbunden sind. Selbst wenn sie dies wären, wären sie aufgrund der vertraglich vereinbarten Entfernung nach Ende des Vertragszeitraumes lediglich ein sog. Scheinbestandteil nach § 95 Abs. 1 BGB gewesen und damit ebenfalls kein wesentlicher Bestandteil des Grundstücks. Außerdem handele es sich bei dem Ständerwerk der PV-Anlage nicht um ein Gebäude, sodass auch eine Eigenschaft der PV-Anlage als wesentlicher Bestandteil eines Gebäudes i.S.d. § 94 Abs. 2 BGB nicht in Betracht kommt.
Der BGH hatte außerdem geprüft, ob die Module wesentliche Bestandteile i.S.d. § 93 BGB der Gesamt-PV-Anlage geworden sind: Um zu beurteilen, ob Rechte Dritter an einem Bestandteil einer zusammengesetzten Gesamtsache begründet werden können, komme es auf die Verhältnisse bei der Entstehung des Rechts und darauf an, welche Folgen ein hypothetischer Ausbau in diesem Zeitpunkt gehabt hätte. Der BGH warf die Frage auf, ob die Module bei der Übereignung im Falle der Trennung noch durch zumindest vergleichbare, auf dem Markt verfügbare Modelle ersetzt und ihrerseits in anderen Anlagen verwendet werden können. Hiervon könne angesichts der kurzen Zeitspanne zwischen Errichtung und Übereignung der Module an die Anleger ausgegangen werden, wenn der Kläger nicht etwas Anderes darlege und ggf. beweise. Letzteres wird im Rahmen der Zurückverweisung an die OLGs auf Basis der dort erfolgenden Tatsachenfeststellung zu prüfen sein.
Im Ergebnis ist also nach Auffassung des BGH die separate Veräußerung von PV-Modulen nicht ausgeschlossen, allerdings kommt es maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere auf die (hypothetische) Austauschfähigkeit der Module.