Vorabentscheidungsersuchen des obersten Gerichtshof Ungarns vom 4. Februar 2021 (C- 187/21 - FAWKES Kft. - ) zur Anwendung von Artikel 30 Abs 2 Buchst a) und b) ZK (2. und 3. Zollwertermittlungsmethode)

11.5.2021

Mit Vorlageentscheidung vom 4. Februar 2021 hat der oberste Gerichtshof Ungarns dem EuGH mehrere Fragen zur Anwendung von Art. 30 Abs. 2 Buchst. a) und b) ZK gestellt. Diese Vorschriften beinhalten Regelungen zur 2. und 3. Zollwertermittlungsmethode. Sie sind mit Art. 74 Abs. 2 Buchst. a) und b) UZK unverändert in den Unionszollkodex übernommen worden, so dass die Entscheidung des EuGH auch für künftige Einfuhren von Bedeutung sein wird. Bei der 2. und 3. Zollwertermittlungsmethode werden zur Bewertung der Einfuhrware Transaktionswerte gleicher oder gleichartiger (ähnlicher) Waren, die zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union verkauft und zu demselben oder annähernd demselben Zeitpunkt wie die zu bewertenden Waren ausgeführt wurden, herangezogen.

Zum Sachverhalt:
Die Klägerin führte im Jahr 2012 verschiedene Textilwaren aus China in das Zollgebiet der Union ein. Die Zollwerte wurden dabei zunächst auf der Grundlage der angemeldeten Rechnungspreise im Rahmen der Transaktionswertmethode (seinerzeit: Art. 29 ZK; heute: Art. 70 UZK) ermittelt. Später befand die Zollbehörde die angemeldete Preise als zu niedrig und setzt daraufhin die Einfuhrabgaben neu fest. Hierbei ermittelte sie - da sie der Meinung war, dass die Folgemethoden des Art. 30 ZK (heute: Art. 74 Abs. 2 UZK) nicht anwendbar seien - die Zollwerte im Rahmen der Schlussmethode (seinerzeit: Art. 31 ZK; heute: Art. 74 Abs.3 UZK) neu. Sie verwendete dabei innerhalb eines Zeitraumes von ungefähr 45 Tagen liegende Daten zu gleichen oder ähnlichen Waren aus einer nationalen Datenbank. Frühere eigene Transaktionswerte der Klägerin, die bei Verzollungen in Ungarn und in anderen Mitgliedstaaten angemeldet und von der Zollbehörde nicht beanstandet wurden, berücksichtigte die ungarische Zollverwaltung nicht.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass die ungarische Zollbehörde die mit Zollfragen befassten Stellen der Europäischen Union – OLAF, TAXUD, EUROSTAT – hätte kontaktieren müssen. Daran anschließend hätte der Zollwert dann gemäß Art. 30 Abs. 2 Buchst. a) bzw. b) ZK festgestellt werden können. Dabei hätten auch die früheren eigenen - von den Zollbehörden unbeanstandeten - Zollwerte berücksichtigt werden müssen. Des Weiteren müsse der für die Festsetzung geltende Zeitraum länger als ungefähr 45 Tage sein.

Das erstinstanzliche Gericht wies die Klage ab. Es stellte fest, dass die beklagte Zollbehörde nicht verpflichtet sei, Daten der EU einzuholen, bzw. es auch keine einheitliche Datenbank der Union gebe, so dass es diese auch nicht habe heranziehen können. Darüber hinaus hätten Feststellungen in anderen EU-Mitgliedstaaten keine Bindungswirkung für die Beklagte. Auch das Vorbringen der Klägerin, dass die Transaktionen der Klägerin bei der Ermittlung des Zollwerts gleicher oder gleichartiger Waren hätten berücksichtigt werden müssen, gehe fehl. Letztlich hielt das Gericht auch die Wahl des Zeitraums von ungefähr 45 Tagen für die Daten der nationalen Datenbank für angemessen.

Dieser Ansicht folgt der Oberste Gerichtshof Ungarns im Revisionsverfahren nicht uneingeschränkt. Er vertritt die Auffassung, dass die nationale Zollbehörde in der Frage des Vorliegens gleicher oder gleichartiger Waren im Sinne von Art. 30 Abs. 2 Buchst. a) bzw. b) ZK nicht die Konsultation der Zollbehörden anderer Mitgliedstaaten unterlassen darf. Dagegen hält er die Zurückweisung früherer eigener Transaktionswerte der Klägerin sowie die Wahl des Zeitraumes von ungefähr 45 Tagen für angemessen.

Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs hängt der Ausgang des Verfahrens über die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen jedoch von der Auslegung des Unionsrechts ab. Daher legt er dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

  1. Sind Art. 30 Abs. 2 Buchst. a) und b) ZK dahin auszulegen, dass als Zollwert nur der Wert berücksichtigt werden kann und muss, der in einer Datenbank der mitgliedstaatlichen Zollbehörde, die auf ihren eigenen zolltariflichen Behandlungen beruht, ausgewiesen ist?
  2. Falls die erste Frage verneint wird: Ist bei der Ermittlung des Zollwerts im Sinne von Art. 30 Abs. 2 Buchst. a) und b) die Zollbehörde eines anderen Mitgliedstaats zu kontaktieren, um den in ihrer Datenbank ausgewiesenen Zollwert gleichartiger Waren einzuholen und/oder bedarf es der Abfrage einer gemeinschaftlichen Datenbank und der Einholung der darin ausgewiesenen Zollwerte?
  3. Können Art. 30 Abs. 2 Buchst. a) und b) ZK dahin ausgelegt werden, dass die weder von der nationalen Zollbehörde noch von einer Zollbehörde eines anderen Mitgliedstaats beanstandeten Transaktionswerte der eigenen Transaktionen der die zolltarifliche Behandlung beantragenden Person bei der Zollwertermittlung keine Berücksichtigung finden können?
  4. Ist das Erfordernis desselben oder annähernd desselben Zeitpunkts in Art. 30 Abs. 2 Buchst. a) und b) ZK dahin auszulegen, dass es auf ungefähr 45 Tage vor und nach der zolltariflichen Behandlung begrenzt werden kann?

SV


Verlag C.F. Müller

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